Familien- und Herkunftskontext
- Wurzeln in Lussino (Lošinj), Golf von Quarnero: Die Familie Cosulich gehörte seit dem 18. Jh. zu den bedeutendsten Reeder- und Kaufmannsfamilien an der adriatischen Küste.
- Seefahrtstradition: Bereits Callistos und Albertos Vater besaß Segelschiffe für Küstenhandel; beide Brüder wuchsen praktisch “auf dem Deck” auf und entwickelten früh nautische, technische und kaufmännische Kenntnisse.
Frühe Laufbahn & Aufbau unternehmerischer Kompetenzen
- F.lli Cosulich (Gebrüder Cosulich) – ab den 1870er-Jahren eigener Reedereibetrieb mit Dampfschiffen für Getreide- und Auswanderertransporte (Triest–Amerika-Linien).
- Unione Austriaca di Navigazione – Callisto saß im Verwaltungsrat; dadurch Kontakte zu internationalen Finanziers und britischen Ingenieuren.
- Technologisches Interesse – beide Brüder beobachteten den Übergang von Segel- zu Stahldampfschiffen und investierten in moderne Maschinen, Dockanlagen und Lloyd-Zertifizierungen.
Warum eine eigene Großwerft?
- Gesetzliche Anreize (österreichisches Schiffbau-Gesetz vom 23. Feb 1907): Steuererleichterungen und Subventionen für neue Werften.
- Strategische Unabhängigkeit: Süddalmatinische und italienische Reedereien waren stark von britischen, deutschen oder österreichischen Bauplätzen abhängig.
- Vision der Brüder: Eine „integrierte Industrie-Basis“ schaffen, um Passagier-, Fracht- und Marine-Schiffe in der Region selbst zu konstruieren – mit Exportpotential für das künftige Italien.
Gründungsprozess des Cantiere Navale Triestino (1907 – 1908)
Schritt | Inhalt | Beteiligte |
---|---|---|
Standortwahl | Panzano bei Monfalcone – flache Lagune, gute Eisenbahn-Anbindung, Nähe zu Triest | Lokale Behörden, Hafenverwaltung |
Landakquisition | Kauf und Pacht von Brach- und Abbauflächen (Kies/Sand) → Hafenbecken entstand durch Kiesentnahme | Cosulich-Familie, Baugesellschaft Panzano |
Finanzierung | ca. 4 Mio. Kronen Grundkapital – Eigenmittel der Familie – Kreditlinie der Wiener Creditanstalt – Beteiligung des Industriellen Arthur Kuffler |
Callisto (Finanzchef), Kuffler (Aufsichtsratsvors.), regionale Banken |
Technische Planung | Verpflichtung britischer Experten – James Stewart (Techn. Direktor, Ex-Inspector der Unione Austriaca) – Andrew Munroe (Chefingenieur) |
Royal Institution of Naval Architects, lokale Bauhandwerker |
Gründung | 3. März 1908: Notariatsakt zur „Cantiere Navale Triestino A.G.“ in Triest; erste Aktienausgabe | Vorstände Callisto & Alberto |
Erste Großprojekte (1908 – 1911)
- Kaiser Franz Joseph I – Luxus-Passagierdampfer, 8.500 BRT, kombinierte Turbinen/Verbundmaschinen.
Passagierdampfer auf See – Kaiser Franz Joseph I – 1912 – © Collezione Maurizio Eliseo - Triest & Split – regionale Fähr- und Frachtschiffe, frühe Werftreferenzen für die Österreichische Lloyd.
Stapellauf des gemischten Dampfschiffes Triest. 16. Dezember 1908 – © Aldebaran Maritime Association, Triest Gemischtes Dampfschiff Triest auf See. 1909 – © Aldebaran Maritime Association, Triest - Nereide – Marineunterstützungsschiff mit neuem Torpedoschutz-Konzept.
Wirkung: Die erfolgreiche Ablieferung bewies Leistungsfähigkeit, sicherte weitere Marine- und Postdampferaufträge und brachte CNT in Konkurrenz zu Stabilimento Tecnico Triestino und britischen Yards.
Rollenverteilung und Führungsstil
- Callisto:
- Hauptinvestor, Aufsichtsratspräsident (später Senator des Königreichs Italien).
- Verhandelte Staatsgarantien und Flottenaufträge, pflegte Kontakte zur Politik in Wien und Rom.
- Alberto:
- Werftdirektion vor Ort; beaufsichtigte Bauplätze, Personalrekrutierung (bereits 1.800 Arbeiter 1909) und die Integration britischer Werkstattnormen.
- Innovativ im Arbeitsschutz (Kantinen, Sanitätsposten) – damals fortschrittlich.
Technische und wirtschaftliche Bedeutung
- Technologietransfer: Erste italienisch-österreichische Werft mit großen elektrischen Portalkränen, Nieten unter Druckluft und eigenem Stahlwalzwerk.
- Regionale Entwicklung: Monfalcone wuchs von 6.000 auf >10.000 Einwohner binnen fünf Jahren; neue Arbeitersiedlungen, Schulen, Krankenhäuser durch Cosulich-Stiftungen.
- Militärischer Beitrag: Übernahm während des Ersten Weltkriegs U-Boot- und Zerstörerbau; Basis für spätere Fincantieri-Werft.
Spätere Jahre & Vermächtnis
- 1921 Umwandlung in „Cantieri Riuniti dell’Adriatico“ (CRDA) unter Beibehaltung der Cosulich-Führung.
- Callisto zog sich Ende der 1920er zurück; Alberto blieb beratend, bis die Familie 1930 den Großteil der Anteile an staatliche Institute übergab.
- Beide Brüder setzten ihr philanthropisches Engagement fort (Seefahrtschule Lussino, Arbeiterwohnheime Monfalcone).
Zusammenfassung der Kernerfolge
- Die Brüder überführten ihre maritime Erfahrung in ein industrielles Großprojekt, das binnen zwei Jahren zur modernsten Werft der nördlichen Adria wurde.
- Durch 4 Mio. Kronen Risikokapital, politische Lobbyarbeit und britische Ingenieurskunst entstand ein Infrastruktur-Komplex, der Italiens Schiffbau bis heute prägt.
- Ihre Vision verband unternehmerische Initiative, technologischen Fortschritt und regionale Entwicklung – ein Modell, das spätere Industriecluster an der Adria nachahmten.
