Carl Gustaf Pettersson (CG)

Nicht viele Marinearchitekten wurden anhand ihres Namens synonymisch mit einem besonderen Typ eines Bootes in Verbindung gebracht. Carl Gustaf Pettersson war einer von ihnen. Der Begriff "Boot von Pettersson" wird immer in Einklang eines lackierten Mahagoni-Motorbootes mit hochgezogenen Vordeck in Verbindung gebracht. Im Laufe einer langen Karriere entwarf CGP eine Vielzahl von Booten, die in großer Stückzahl noch heute auf dem Wasser zu finden sind.

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Carl Gustaf Pettersson (CG), Sohn einer Bauernfamilie, wurde am 06.08.1876 im schwedischen Ostarchipel Tenögård geboren. Als zweitältester Sohn der sechs Geschwister hätte er den Hof seiner Eltern Carl-Wilhelm und Emma Pettersson auf Ramsøyna übernehmen sollen, den Sie 1885 erwarben. Aber CG, wie er später nur noch auf Grund seiner Bekanntheit genannt wurde, hatte andere Pläne. Sein Interesse galt den Booten und der Technik. Bereits in frühen Jahren schnitzte er sehr gerne und durch diese Fingerfertigkeiten erwarb er das Gefühl und das Aussehen von Linien und Formen. Hinzu kam, dass er regelmäßig die auf dem eigenen Bauernhof anfallende Milch mit dem Ruderboot an Bewohner oder Sommergäste der naheliegenden Inseln Tynningö, Rindö und Skogsö verkaufte. CG besuchte die technische Gesamtschule in Stockholm. Nach seiner regulären Schulzeit begann er 1891 eine Lehre bei dem bekannten Pionier und Erfinder im Motoren- und Schiffbau, Julius Frodé. Während der Lehre festigte er seine Fähigkeiten im Zeichnen und Designen von Booten. Die ersten Boote, die er selbst entwarf, waren Segel-Kanus und Eisyachten. Im Anschluss seiner Lehre zog er zunächst wieder auf den elterlichen Hof und heiratete im September 1900 Maria Christina Bergqvist, mit der er die Kinder Oscar und Esther bekam. Mit seinen älteren Bruder Robert und seinem jüngeren Bruder John gründete er 1902 eine kleine Bootswerft auf Ramsøyna, die 1905 von Motor AB Reversator übernommen wurde..

Carl Gustaf Pettersson wollte sich weiter entwickeln und so trat er eine Anstellung als Bootskonstrukteur in der Firma AB Reversator, Hersteller von Verbrennungsmotore für Wasserfahrzeuge, an. Man kannte sich, denn die Petterssons arbeiteten schon einige Jahre in gemeinsamen Projekten zusammen. AB Reservator, die 1905 gegründet wurde, beschäftigte sich mit der Problematik des umsteuerbaren Bootsmotor. Der Zweck war der, dass sich, ähnlich wie bei der Dampfmaschine, ein Explosionsmotor von Vorwärts auf Rückwärts umsteuern läßt. CG war mit der Kosntruktion geeigneter Boote für den Motor beauftragt.

 

Erste Vikingen von CG - 1904
Erste Vikingen von CG – 1904

Weitere Erfolge konnte er mit Konstruktionen von Booten nachweisen, die mit wenig Motorenleistung eine optimale Geschwindigkeit erreichten. So entstand im Jahre 1904 sein erstes Motorboot, die „Vikingen“. Es handelte sich um ein 24ft offenes Boot aus Kiefer mit einem 2,5 PS Einzylinder-Motor, der von AB Reversator hergestellt wurde. Das Boot erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von 7,4 Knoten. Genug, um bereits 1904 bei einem Motorbootrennen, CG saß selbst hinter dem Steuer, in Kiel gleich als Sieger gekürt zu werden und auch gleich noch den Ehrenpreis mit nach Hause nahm. In den nächsten zwei Jahren folgten noch fünf weitere Siege. 1905 gewann das Boot Tirfing den ersten Preis bei einer Automobil-Club Regatta in Stockholm. Das mit 5mm Kieferbeplankung und Mahagoni beschichtete Boot war knapp 6 Meter lang, wog mit dem 5 PS Zweizylinder Reversatormotor 680 KG und erreichte eine Geschwindigkeit von fast 10 Knoten.

Gustaf Ericsson wollte seine Motorenfabrik GEA, bisher wurden nur Automotoren hergestellt, um das Portfolio Bootsmotoren erweitern. Er bemühte sich um CG Pettersson und stellte ihn als Werftleiter ein. Pettersson entwarf einige Bootstypen, die auf die Motoren zugeschnitten waren. Die Liaison hielt aber nicht lange, denn 1907 verließ CG GEA und machte sich nun endgültig selbständig unter der Firmenbezeichnung ‚Konstruktion und Beratung für Schnellboote‘.

Lilice C.G.Pettersson 1909. Foto: Jorma Rautapää
Lilice C.G.Pettersson 1909. Foto: Jorma Rautapää

CG konstruierte fortan Auftragsbezogen für andere Firmen, so zum Beispiel 1909 den Motorsegler Lilice. Der Platz in Ramsø wurde zu eng und für Kundenbesuche war der Ort viel zu abgelegen und nur beschwerlich zu erreichen. Dies war der Grund, warum Pettersson 1910 nach Liljeholmen umzog und dort sein Büro neu eröffnete. Nun kam die wohl arbeitsintensivste Zeit, denn er entwarf zwischen 1910 und 1920 im Durchschnitt 40 neue Boote. Hinter C.G. Pettersson stehen mehr als Tausend Bootskonstruktionen, die er jeweils nach Kundenwunsch entwickelte, unabhängig der Größe, mit oder ohne Motor, Segelboote, Motorboote, Eissegler, Spitzgattboote, Salonboote und einige wiklich beeindruckende Motoryachten bis 30m Länge. Er entwarf Arbeitsboote wie Frachtschiffe, Schlepper, Lotsenboote und Kreuzer. Viele Typen ähnelten sich, dies lag daran, dass er eine Vielzahl von Varianten eines Typs zeichnete. Seine Spezialität war das langgezogene und schmale Boot mit der Begründung, dass dieser Bootstyp den geringsten Widerstand im Wasser aufweist und sehr gute Fahreigenschaften bei geringer Motorisierung erzielt. Seine eigenen Projekte hießen Viking, die er einfach durchnummerierte (Viking I, Viking II, etc.).

AB Motorbåtsbyrån
AB Motorbåtsbyrån

Mit 39 Jahren, im Jahr 1915, entschloss sich CG für ein Studium an der Technischen Hochschule in Stockholm, um seine Kenntnisse im Boostbau zu vertiefen. Dort lernte er den 24-jährigen Ruben Östland kennen, den er von nun an fünf Jahre lang als Mentor begleitet und sein Wissen an ihn weitergibt. Danach gingen sie wieder eigene Wege und blieben gute Freunde. Nach dem Studium gründete Pettersson gemeinsam mit Einar Runius 1922 die AB Motorbåtsbyrån und bauten unzählige Rennboote und klassische Kajütboote. Die beiden ergänzten sich hervorragend und es wurden etliche Rennerfolge erzielt.

Viking X Foto Anneli Karlsson, Statens Maritima Museer Göteborg
Wiking X en Pettersson båt kommer till Båthall 2

CG war nicht nur reiner Theoretiker, sondern ein begnadeter Langstreckenfahrer. Auf solchen Fahrten sammelte er stets Erfahrungen, die er in seine Konstruktionen einfließen ließ. Die berühmteste dieser langen Reisen war seine Skandinavien-Rundreise. Für diese Reise zeichnete er am 22.02.1925 speziell für diese Bedingungen das bis heute bekannteste Pettersson-Boot, die Viking X. Das Ziel der geplanten Reise war der Langstreckenversuch mit dem neuen A2-Motor von Penta, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Marktakzeptanz erreichte. Am 20.06.1925 trat er die Reise an, begleitet hat ihn u.a. der Regisseur Carl Barck Lind, der Kameramann Carl Halling, der Autor Ragnar Holmstrom und sein tierischer Begleiter, der Affe Jocke. Die Reise war außerordentlich beschwerlich. Das Logbuch von seiner Reise um Skandinavien erzählt eine spannende Geschichte über gefährliche Gewässer – nichts für schwache Nerven! Aber, nach 3 1/2 Monaten, am 03.11.1925 liefen sie, wie geplant, jedoch völlig erschöpft, in Stockholm ein. Die Mannschaft war komplett, das Boot hatte keine nennenswerten Beschädigungen erhalten, der Motor lief immer ohne Ausfälle, was will man mehr.

1929 umgebaute Stella Marina
1929 umgebaute Stella Marina

Nach dieser langen Reise entwickelte Pettersson unvermindert und mit neuen Erfahrungen im Hinterkopf viele neue Boote und Motoryachten. Wasserfahrzeuge für den Otto-Normalbürger wie auch für Großindustrielle und Banker. Ein größerer Auftrag im Jahr 1927 war der Umbaus der „Stella Marina“ durch den nunmehr alleinigen Besitzer, den Verleger und Autor Erik Åkerlund. . Die Yacht wurde von den bisherigen Maßen von 22m x 4m auf 27,45m x 4,20m vergrößert. Es wurden zwei neue Motoren vom Typ Sterling Petrel 6 Zyl. verbaut. Die Einzelheiten sind in der Zeichnung Nr. 761 festgehalten. Die Konstruktion gemäß Zeichnung Nr. 964 im Jahr 1937 galt einer geklinkerten Yacht mit dem Namen „Juppe“. Sie wurde 1938 für den Gründer der Pentawerke Fritz Egnell fertiggestellt und hatte die Maße 10m x 3,20m. Für die Stockholm-Brauerei konstruierte er unter der Zeichnungsnummer 1072 im Jahr 1947 und 1948 die beiden Transportschiffe „Läskaren “ und „Svalkaren“. Jedes Schiff wog vollbeladen 53 Tonnen. Die Schiffe waren 20m lang und 18,6m (17,9m) breit und wurden jeweils mit einem 90 PS Dieselmotor angetrieben, der den Schiffen eine Geschwindigkeit von 9 Knoten ermöglichte.

CG war bis an sein Lebensende äußerst aktiv. Jedoch konnte er auf Grund seiner zunehmenden Sehschwäche nicht mehr die Details auf seiner Zeichnung erkennen und daher entstanden zu dieser Zeit auch keine Neuentwicklungen mehr. Am 27.03.1953 verstarb Carl Gustaf Pettersson. Er hinterließ eine beeindruckende Epoche des motorisierten Bootsbau mit mehr als 1.150 Entwürfen. Dank der massiven Bauweise seiner Konstruktionen erfreuen sich heute unzählige Besitzer dieser einzigartigen Boote und er bleibt vielen Interessierten stets in guter Erinnerung.


Berlin im März 2011 (dp)

Vielen Dank an Stefan Iwanowski und Anders Værnéus für das tolle Buch Pettersonbåten. Stort tack till Påke. Durch intensive Recherchen ist es Klassik-Boote gelungen, etliche Aussagen, die sich teilweise erheblich widersprochen haben, richtig zu stellen. Somit ist auch der Werdegang der Stella Marina hoffentlich jetzt volltändig aufgeklärt. Ohne die uns zur Verfügung stehende Typenliste von CGP wäre dies nicht möglich gewesen.

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Mein Real-Name ist Detlev Pickert, geb. 1957 in Berlin-Zehlendorf. Einen Teil meiner Jugend habe ich im Schwarzwald verbracht und dort meine Lehre mit dem Abschluss einer Gesellenprüfung als Zimmermann bestanden. Zurück nach Berlin gekommen, bin ich in die IT eingestiegen, zu der Zeit gab es in Deutschland noch keine PC's. Mein erster Job war im Großkauf am Saatwinkler Damm, dahinter befand sich König-Motorenbau. In jeder freien Minute habe ich zu dieser Zeit Dieter König und den Mitarbeitern von Dieter bei ihren Testfahrten zugeschaut. Mich faszinierte das Geschehen enorm. 2002 habe ich nach einem Umzug in den süd-östlichen Teil hinter Berlin den Bootsführerschein absolviert und mein erstes Boot war eine Plaue. Da es mich schon immer sehr interessiert hat, wer solche wunderbaren Fahrzeuge konstruiert und gebaut an, fing meine Recherchetätigkeit an, die mich nie wieder losgelassen hat. Hunderte von Interviews mit alten Bootsbauern, Werftbesitzer, Motorenschlosser, mit Personen, die dem Wassersport verbunden waren und Recherchen in Bibliotheken, Büchern und Magazinen hat sich ein enormes Wissen angesammelt. Nach einer Pause von gut 10 Jahren wird nunmehr sukzessive vieles von dem Wissen auf dieser Plattform veröffentlicht. Keine der Geschichten ist abgeschlossen, denn jeden Tag kommen neue Informationen hinzu. Ich habe weder Germanistik noch Journalismus studiert, ich schreibe so, wie meine Gedanken es mir vorgeben. Wer sich daran stört, der findet sicherlich andere Seiten, wo er sich wohler fühlt.