Cäsar Pinnau – Vom Hamburger Tischlergesellen zum Meisterarchitekt der Superyachten
Die frühen Jahre: Zwischen Handwerk und hoher Architektur
Geboren 1906 in Hamburg, wuchs Cäsar Pinnau in einer Stadt auf, die vom Rhythmus des Hafens und der Eleganz hanseatischer Kaufmannshäuser geprägt war. Seine Ausbildung begann 1921 in der väterlichen Tischlerwerkstatt, wo er bis 1925 das Handwerk von Grund auf erlernte. Diese solide handwerkliche Basis sollte sein gesamtes späteres Schaffen prägen.
Nach der Lehre arbeitete Pinnau zunächst als Geselle in einer Einrichtungsfirma. 1927 zog es ihn nach Berlin, wo er tagsüber in einer Möbelfabrik arbeitete und abends Kurse an der Kunstgewerbeschule besuchte. Noch im selben Jahr wagte er den nächsten Schritt und wechselte als Werkstudent nach München an die Staatsschule für Angewandte Kunst. In der Architekturklasse von Richard Berndl fand er seine wahre Berufung. Der Graphiker und Bühnenbildner Emil Preetorius sowie der Bildhauer Joseph Wackerle prägten zusätzlich seine künstlerische Entwicklung.
Die prägenden Jahre bei Breuhaus de Groot
Von 1930 bis 1937 sammelte Pinnau entscheidende praktische Erfahrungen im renommierten Büro von Fritz August Breuhaus de Groot in Düsseldorf. Hier arbeitete er an einem breiten Spektrum von Projekten – von repräsentativen Wohn- und Verwaltungsbauten über Luxusliner und Verkehrsflugzeuge bis hin zu Möbeln und Gebrauchsgegenständen. Diese Vielseitigkeit sollte später zu seinem Markenzeichen werden.
Ein Höhepunkt dieser Zeit war die funktionalistische Gestaltung des Passagiertrakts für den Zeppelin LZ 129 „Hindenburg“ zwischen 1931 und 1935. Das Projekt vereinte technische Innovation mit elegantem Design und zeigte bereits Pinnaus Fähigkeit, auf engstem Raum luxuriöse Atmosphäre zu schaffen. Ab 1932 gab er sein Wissen als Dozent an der von Breuhaus gegründeten privaten Kunstschule „Contempora Lehrateliers für neue Werkkunst“ in Berlin weiter.
Die Jahre der Verstrickung: Pinnau und das NS-Regime
1937 markierte einen Wendepunkt in Pinnaus Karriere. Albert Speer, Hitlers Lieblingsarchitekt, beauftragte ihn mit der Renovierung des ehemaligen Reichspräsidentenpalais für den Staatsbesuch Mussolinis. Diese Begegnung sollte folgenreich sein. Noch im selben Jahr eröffnete Pinnau sein eigenes Büro in Berlin und erhielt fortan überwiegend Staatsaufträge.
Er übernahm den Innenausbau mehrerer Raumfolgen in Speers Neuer Reichskanzlei (1938) sowie in der von Ludwig Moshamer erbauten japanischen Botschaft (1941). Für Speers megalomane Vision einer Nord-Süd-Achse durch Berlin entwarf er zwischen 1939 und 1941 Projekte für ein Hotelareal am Südbahnhof, Thermenanlagen und weitere Gebäude. Seine Arbeiten aus dieser Zeit zeichneten sich durch eine akademisch durchgebildete Form des Staatsklassizismus aus.
1942 wurde Pinnau zum Professor an der Hochschule für bildende Künste Berlin ernannt. Als Mitglied in Speers „Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombengeschädigter Städte“ war er gemeinsam mit Wilhelm Wortmann für die Planungen in Bremen zuständig.
Neuanfang in Hamburg: Die zweite Karriere
Die Tätigkeit für das NS-Regime hatte ihren Preis: Nach dem Krieg blieben Pinnau öffentliche Aufträge verwehrt. Doch in den Aufbaujahrzehnten, die überwiegend vom Neuen Bauen geprägt waren, fand er zu einer zweiten Karriere als Privatarchitekt in Hamburg.
Mit dezidiert traditionsverpflichteten Ausstattungen und Bauten für Hotels, Schiffe und Wohnhäuser eroberte er die Herzen von Kaufleuten, Reedern und Großindustriellen wie Rudolf August Oetker, Aristoteles Onassis und Konrad Henkel. Seine herrschaftlichen und zugleich anmutigen Villenbauten verliehen besonders dem zerstörten östlichen Alsterufer wieder eine unverwechselbare Identität.
Pinnaus Elbvillen evozierten die althamburgische Landhaustradition – sei es im Kolonialstil (Elbchaussee 245, 1951) oder als Oktogon (Baurs Park 3, 1986). Auch widmete er sich der Wiederherstellung klassizistischer Bauten, darunter das Landhaus Godeffroy (1836/1953) und das Haus des königlich dänischen Oberbaudirektors C.F. Hansen (1803/1973).
Die Christina O und die Revolution der Schiffsarchitektur

Pinnaus wahres Meisterstück entstand 1951, als Aristoteles Onassis ihn mit dem Umbau einer kanadischen Kriegsfregatte zur Luxusyacht beauftragte. Die Christina O setzte völlig neue Maßstäbe im Yachtdesign:
- Revolutionäre Raumkonzepte mit fließenden Übergängen zwischen Innen und Außen
- Der legendäre Aris Bar mit Walhaut-bezogenem Tresen
- Ein wandelbares Schwimmbad, das sich in eine Tanzfläche verwandeln ließ
- Handgeschnitzte Mahagoni-Vertäfelungen und vergoldete Armaturen
- Ein Speisesaal für 40 Gäste in unvergleichlichem Luxus
Die Yacht wurde zur schwimmenden Bühne der Weltgeschichte: Churchill, Maria Callas, Jacqueline Kennedy – sie alle genossen Pinnaus maritime Meisterleistung.

Der Architekt des deutschen Wirtschaftswunders

Für die Hamburg-Süd entwickelte Pinnau die charakteristische windschnittige Linie ihrer Kombischiffe. Die Cap San Diego (heute Museumsschiff an der Hamburger Überseebrücke) verkörpert perfekt seine Philosophie: funktionale Eleganz ohne Kompromisse.
Auch an Land hinterließ er markante Spuren. Das Hochhaus der Hamburg Süd an der Ost-West-Straße (1959-64) und der Olympic Tower an der New Yorker Fifth Avenue (1970-74) – beide für Onassis – zeigen seinen dezidiert funktionalistischen Stil in der Nachfolge Mies van der Rohes.
Die Pinnau-Formel: Klassische Proportion trifft moderne Funktion
Was alle seine Werke vereinte, war die durchgängige Qualität klassischer Proportionen, kombiniert mit Eleganz und geschicktem Eingehen auf Bauaufgaben und städtebaulichen Kontext. Ob Villen, Yachten oder Wolkenkratzer – Pinnau verstand es meisterhaft, Tradition und Moderne zu versöhnen.
Das Vermächtnis eines komplexen Lebenswerks
Als Cäsar Pinnau 1988 in Hamburg starb, hinterließ er ein vielgestaltiges Œuvre von über 400 Projekten. Seine Bauten prägen bis heute das Bild Hamburgs und anderer Städte weltweit. Viele seiner Villen sind heute vom Abriss bedroht – stumme Zeugen einer Epoche, in der Handwerk, Proportion und zeitlose Eleganz noch zählten.
Die Christina O, nach wie vor in Fahrt, bleibt das schillerndste Monument seines Schaffens. Sie erinnert daran, dass Pinnau trotz seiner problematischen Vergangenheit ein Visionär war, der Schiffsarchitektur neu definierte. In einer Zeit, in der Größe oft mit Grandezza verwechselt wird, mahnen seine Werke: Wahre Eleganz liegt in der perfekten Proportion, im meisterhaften Detail, in der Synthese von Form und Funktion – Lektionen eines Hamburger Tischlergesellen, der zum Architekten der Mächtigen wurde.
Siehe auch: Deuter, Jörg, „Pinnau, Cäsar“ in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 453-454 [Online-Version];
Lesen Sie auch: „Der Einfluss von Cäsar Pinnau auf das Design und den Stil von Superyachten“ – Blog-Beitrag von Klassik-Boote.de
Weitere sehr gute Informationen zu Cäsar Pinnau finden Sie auf der Seite von Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH).
Den Beitrag „Lange Schatten der Vergangenheit“ von Tanja Scheffler finden Sie in der Bauwelt Ausgabe 02/2017
Das Jahrbuch 1989 – Architektur in Hamburg – der Hamburgischen Architektenkammer widmet sich in dieser Ausgabe gleich mit zwei Beiträgen zu Cäsar Pinnau.
Die Zusammenarbeit zwischen Onassis und Cäsar Pinnau wird unter anderem auch in dem Buch „Onassis – Herr auf Allen Meeren“ von Joachim Joesten festgehalten
Einen weiteren Beitrag finden Sie auf der Webseite Hamburgisches Architekturarchiv von Christine Plambeck.