Die Geschichte der Werft Monfalcone – Cantiere Navale Triestino (CNT)

Die Werft von Monfalcone war zunächst eigenständig (CNT), wurde dann 1930 zur tragenden Säule der Cantieri Riuniti dell’Adriatico und blieb auch in allen Nachfolgeunternehmen das Flaggschiff. Ihre Geschichte ist somit der rote Faden, der die verschiedenen Namens- und Strukturwechsel des italienischen Großschiffbaus im 20. Jahrhundert miteinander verknüpft.

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Vom Transatlantikdampfer zum Kreuzfahrtgiganten: Die hundertjährige Erfolgsgeschichte der Werft von Monfalcone

An der Adriaküste, mit Blick auf Triest, liegt ein Ort, an dem seit über einem Jahrhundert Schiffbaugeschichte geschrieben wird: die Werft von Monfalcone. Was 1908 als ambitioniertes Projekt der Brüder Cosulich begann, hat sich zu einem der bedeutendsten Schiffbauzentren der Welt entwickelt. Die Werft überlebte Weltkriege, Wirtschaftskrisen und technologische Umbrüche und erfand sich immer wieder neu – eine faszinierende Reise vom Bau eleganter Ozeandampfer bis hin zu den schwimmenden Städten der modernen Kreuzfahrt.

Die Anfänge: Eine Vision wird Wirklichkeit

Alles begann, als die Reeder-Familie Cosulich beschloss, ihre Abhängigkeit von ausländischen Werften zu beenden. Sie wählten das sumpfige Gebiet von Panzano bei Monfalcone, um eine hochmoderne Werft zu errichten. Mit schottischem Ingenieurwissen und lokalen Fachkräften lief bereits 1912 ein erstes Meisterwerk vom Stapel: der Transatlantikdampfer Kaiser Franz Joseph I., ein Symbol für den Luxus und die Ingenieurskunst der damaligen Zeit. Chefkonstrukteur war Andrew Munro, zuvor bei Russell & Co. in Port Glasgow tätig.

Krisenjahre und kreative Anpassung

Die Geschichte der Werft ist auch eine Geschichte der Widerstandsfähigkeit. Nach der Zerstörung im Ersten Weltkrieg wurde sie wieder aufgebaut. Als in den 1920er-Jahren die Schiffsaufträge ausblieben, bewies die Werft ihre Vielseitigkeit und fertigte kurzerhand Eisenbahnwaggons, Flugzeuge und Motorboote. Nach dem Wall-Street-Crash von 1929 und einer Umstrukturierung entstanden unter dem Namen Cantieri Riuniti dell’Adriatico zwei legendäre Schiffe, die das Design der Zukunft prägen sollten: die Motorschiffe Saturnia und Vulcania. Ihr innovatives Design wurde zum Archetyp für italienische Passagierschiffe der Nachkriegszeit.

Die goldenen Jahre und die Königinnen der Meere

Nach den erneuten Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg erlebte Monfalcone einen phänomenalen Wiederaufstieg. 1951 markierte die Giulio Cesare die Rückkehr Italiens auf die Weltmeere. Ihr elegantes Yacht-Design setzte neue Maßstäbe. In den 1960er-Jahren folgten die technologisch fortschrittlichen Schwesterschiffe Galileo Galilei und Guglielmo Marconi, die als die „letzten Königinnen der Meere“ galten und den Höhepunkt des Transatlantikverkehrs darstellten. Mit der Eugenio C. wurde schließlich das letzte große Passagierschiff dieser Ära gebaut, das mit seiner markanten Heckmotorisierung und den doppelten Schornsteinen bereits den Übergang zur modernen Kreuzfahrt andeutete.

Der Wandel: Vom U-Boot zum Kreuzfahrtschiff

Ein symbolischer Wendepunkt ereignete sich am 26. Juni 1993: Das letzte in Monfalcone gebaute U-Boot, die Gianfranco Gazzana Priaroggia, lief vom Stapel. Während die kleine Marineeinheit ins Wasser glitt, lag im Hintergrund bereits die Zukunft an der Ausrüstungspier: das riesige Kreuzfahrtschiff Maasdam. Dieser Moment markierte das Ende der Ära der Militär- und Transatlantikschiffe und den Beginn der Spezialisierung auf den Bau von Kreuzfahrtschiffen.

Heute ist die Werft, nun Teil von Fincantieri, ein weltweit führender Hersteller der größten und luxuriösesten Kreuzfahrtschiffe. Das Erbe der Familie Cosulich – ihr Mut, ihre Innovationskraft und ihre Anpassungsfähigkeit – lebt in jedem der Giganten weiter, die von hier aus ihre Reise über die Weltmeere antreten.

Historische Abfolge und Zusammenhänge zwischen der Werft von Monfalcone und den Cantieri Riuniti dell’Adriatico (CRDA)

 
 
Zeit Unternehmensform / Name Ereignis Rolle der Werft Monfalcone
1907 – 1908 Gründung der Cantiere Navale Triestino (CNT) durch die Brüder Callisto & Alberto Cosulich – Österreichisches Gesetz von 1907 fördert den heimischen Schiffbau.
– Bauplatz im Panzano-Becken bei Monfalcone gewählt.
– 3. April 1908: CNT als Aktiengesellschaft eingetragen.
Entstehung einer neuen Großwerft mit fünf Hellingen; erster Stapellauf 1908/09.
1908 – 1918 CNT, Monfalcone Bau erster Dampfer (u. a. Trieste, Kaiser Franz Joseph I.).

Mit Italiens Kriegseintritt 1915 wurde die Werft verwüstet und teilweise evakuiert. Während des Wiederaufbaus der Werft verlagerten die Brüder Teile ihrer Produktion nach Budapest und Pola und bauten dort u.a. U-Boote.

 
Monfalcone etabliert sich als wichtigster Produktions- und Reparaturstandort von CNT.
1921 – 1928 CNT erweitert sich um Eisenbahn-, Elektro- und Flugzeugwerke Diversifizierung, um Auftragsflauten abzufangen. Hierzu wurde auch 1923 von den Brüdern Cosulichs die CANT (Cantieri Aeronautici e Navali Triestini), ein Unternehmen für Wasserflugzeuge, das in Monfalcone angesiedelt war, gegründet Monfalcone fertigt neben Schiffen auch Waggons, Wasserflugzeuge, Motorboote.
1929 Börsenkrach erreicht Italien; Banca Commerciale Italiana (BCI) übernimmt Mehrheit an CNT Finanzielle Restrukturierung notwendig Monfalcone bleibt Kernwert der Gesellschaft, wird jedoch kapitalintensiv.
6. Nov 1930 Cantieri Riuniti dell’Adriatico (CRDA) entsteht BCI fasst die Werften Monfalcone, San Rocco (Muggia) und Triest (San Marco) zu einer neuen Holding zusammen, um Synergien zu schaffen. Monfalcone wird größter CRDA-Standort und Speerspitze im Passagier-, U-Boot- und Handels­schiffbau.
1930 – 1940 CRDA, Monfalcone-Division Bau berühmter Motorschiffe (Saturnia, Vulcania, Stockholm), dazu zahlreiche U-Boote. Monfalcone führt das technische Design; wird europaweit Marktführer für U-Boote.
1940 – 1945 CRDA im Krieg Werft schwer bombardiert; Produktion auf Marinebedarf fokussiert. Monfalcone erneut zerstört und 1945–47 wiederaufgebaut.
1947 – 1965 CRDA, Monfalcone Blütezeit der Passagierschiffe des Wirtschaftsbooms: Giulio Cesare, Galileo Galilei, Guglielmo Marconi, Eugenio C. Monfalcone liefert die größten italienischen Nachkriegs-Ozeanliner; erhält zahlreiche Designpreise.
1966 Fusion CRDA + AnsaldoItalcantieri (IRI-Gruppe) Staatliche Neuordnung des Schiffbausektors Monfalcone bleibt Leitwerft; Beginn des systematischen Kreuzfahrtschiff­baus.
1984 Italcantieri wird in die heutige Fincantieri umgewandelt Konzentration aller großen Staatswerften Monfalcone ist bis heute größtes Fincantieri-Werk und baut modernste Kreuzfahrtriesen.

Kernpunkte des Zusammenhangs

  1. CNT als Ursprung
    – Die Werft von Monfalcone war ab 1908 das Herzstück der neu gegründeten Cantiere Navale Triestino.
    – Alle späteren Firmenumstrukturierungen beruhten auf dem industriellen Potenzial dieses Standorts.
  2. Geburtsstunde der CRDA
    – 1930 entstanden die Cantieri Riuniti dell’Adriatico, indem die Bank BCI CNT (Monfalcone) mit den kleineren Werften in Triest und Muggia verschmolz.
    – Monfalcone stellte die größte Produktionskapazität, modernste Infrastruktur und das erfahrenste Personal; es prägte daher die Identität von CRDA.
  3. Monfalcone als technologischer Motor
    – Unter CRDA führte die Werft Design-Innovation ein (schnittiger Freibug, stromlinienförmige Schornsteine, zentrale Aufbauten) und spezialisierte sich parallel auf U-Boote.
    – Die dort entwickelten Konstruktionsprinzipien wurden von den Schwesterwerften übernommen.
  4. Nachkriegs- und Nachfolgegesellschaften
    – CRDA überlebte den Krieg dank des Wiederaufbaus in Monfalcone.
    – 1966 ging CRDA in Italcantieri auf; 1984 entstand daraus Fincantieri. Die strukturelle Linie CNT → CRDA → Italcantieri → Fincantieri verläuft durchgehend über den Standort Monfalcone.

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Mein Name ist Detlev Pickert, geboren 1957 in Berlin-Zehlendorf und der webmaster dieser Plattform. Durch meine Tätigkeit im Großkauf am Saatwinkler Damm Ende der 1970-er verbrachte ich sehr viel Zeit mit der Beobachtung der Testfahrten von Dieter König und seinem Team am Saatwinkler Damm. Von Anfang an war die Geschichte der Boote etwas, das mich faszinierte. Es ist die Geschichte oder Provenienz, wie es heute genannt wird, die uns erzählt, was das Boot durchgemacht hat, wem es gehörte und wie es einst entstanden ist. Das war für mich der Beginn, dieses erstaunliche kulturelle Erbe zu dokumentieren und festzuhalten. Durch hunderte von Interviews mit alten Bootsbauern, Werftbesitzern und Motorenschlossern sowie Recherchen in Bibliotheken, Büchern und Magazinen hat sich ein umfangreiches Wissen angesammelt. Nach einer Pause von etwa zehn Jahren wird nun sukzessive dieses Wissen auf dieser Plattform veröffentlicht. Keine Geschichte ist abgeschlossen, da täglich neue Informationen hinzukommen. Ich habe weder Germanistik noch Journalismus studiert; ich schreibe einfach so, wie mir meine Gedanken kommen. Wer sich daran stört, findet sicherlich andere Seiten, auf denen er sich wohler fühlt. Wer sich an meiner Arbeit erfreut, darf gerne über den Spendenknopf einen Kaffee ausgeben. Ich danke für Eure Unterstützung.