Ein Motorboot aus dem Jahre 1806 ?

Die Brüder Claude und Nicéphore Niépce gelten als Pioniere des Motorboots mit einem Explosionsmotor. Im Jahr 1806 entwickelten sie einen neuartigen Explosionsmotor, den sie "Pyréolophore" nannten. Dieser Motor wurde angeblich verwendet, um ein Boot anzutreiben - über 80 Jahre bevor Gottlieb Daimler als Erfinder des ersten Motorboots galt.

-

Während man bisher allgemein der Überzeugung war, dass der deutsche Ingenieur Gottlieb Daimler, der Gründer der Daimler Motoren-Gesellschaft, der Schöpfer des ersten Motorboot zu mindestens in Europa gewesen ist, siehe auch auf unserer Willkommens Seite, berichtete auf einer Tagung der französischen Aeronautischen Gesellschaft der französische Konstrukteur Pierre Clerget über zwei Explosionsmotoren, die zu den allerersten ihrer Art gezählt werden müssen.
Der erstere war ein Motor, der im Jahre 1801 einem gewissen Philippe Lebon patentiert worden war. Es handelte sich dabei um einen sehr sinnreich konstruierten Apparat mit 3 Zylindern, von denen der eine für die Komprimierung des Gases, der zweite für die Verdichtung der Luft und der dritte als Arbeitszylinder gedacht war. Allerdings scheint dieser Apparat nicht weit über das zeichnerische Stadium hinaus gelangt zu sein. Lebon verstarb 1804, noch bevor er seine Erfindung richtig präsentieren konnte.

Der zweite von Clerget beschriebene Motor stammte von den Brüdern Claude und Joseph Nicéphore Niépce; er ist im Jahre 1806 gebaut worden und wurde von diesen angeblich praktisch benutzt, ein Boot damit anzutreiben. Die Erfinder nannten ihren Motor in der gespreizten Ausdrucksweise ihrer Zeit einen „Pyréolophore“. Der Name, der sich aus den Wörtern pyr (Feuer), eolo (Wind) und phore (Ich trage oder produziere) zusammensetzt und die Funktionsweise ihres Motors treffend beschrieb. Er besaß weder eine Kurbelwelle noch ein Schwungrad. Ein einfacher Kolben arbeitete vorwärts und rückwärts zwischen einem Explosions- und einem Wasserpump-Zylinder. Die Pumpe richtete einen Wasserstrahl nach achtern und trieb damit das Boot vorwärts.

Claude Niépce andNicéphore Niépce. First Plan of the Pyréolophore, 1806.
Claude Niépce and Nicéphore Niépce. First Plan of the Pyréolophore, 1806.

Weit bemerkenswerter jedoch als die Konstruktion dieses Pyréolophore (Pyreolophore) war der dafür verwendete Brennstoff. Dieser bestand nämlich aus Lycopodium, dem sehr feinen Bärlappsamen, der lange Zeit auch noch in manchen Industrien, wenn auch nicht zu Verbrennungszwecken, sondern als Puder Verwendung findet – zum Beispiel in den Eisen- und Metallgießereien, um beim Formen das Anhaften des Sandes an den Modellen zu verhindern.

Die Verwendung des Bärlappsamens für die Zwecke des Pyreolphore geschah in der Form, dass vor jeder Zündung ein gewisses Quantum Lycopodium automatisch in ein Rohr gefüllt und aus diesem durch den scharfen Luftstrom eines Blasebalges in den Zylinder geblasen wurde. Durch ein Ventil wurde eine Flamme in den Zylinder geleitet und die Ladung entzündet. Eine Kompression fand nicht statt, der Kolben wurde unter der Einwirkung des verbrennenden Bärlappsamens vorwärts gestoßen bis zu einer Öffnung am Ende des Zylinders, durch welche die Verbrennungsrückstände entweichen konnten. Jede vorwärts gerichtete Bewegung des Kolbens wurde somit zu einem Arbeitstakt.

Erstes funktionierende Motorboot 1806? Das Pyréolophore
Plan 4ième – Coupe longitudinale du Vaisseau qui reçoit son impulsion du Pyréolophore

Die Brüder Niépce hatten einige bedeutende Tests am malerischen See von Batterey durchgeführt, der inmitten der üppigen Wälder von La Charmée bei Saint-Loup-de-Varennes liegt. Die Maschine war auf einem Boot installiert, dass einen etwa zwei Fuß breiten sowie drei Fuß hohen Bug hatte, ihren Betrieb im Unterwasserteil verrichtete und wog insgesamt etwa 2.000 Pfund. Sie konnte lediglich mit der Kraft des Motors den Saône-Fluss hinauf navigieren, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die größer war als die des Flusses in der entgegengesetzten Richtung. Die Menge des verbrannten Brennstoffs betrug dabei etwa einhundertfünfundzwanzig Körner pro Minute, und die Anzahl der Pulsationen lag bei zwölf bis dreizehn in derselben Zeitspanne.

Aufgrund ihrer Erfolge erhielten sie ein Patent für eine Laufzeit von zehn Jahren. Dieses wichtige Patent wurde vom Kaiser Napoleon höchstpersönlich unterzeichnet und ist auf den 20. Juli 1807 datiert. Nicéphore und Claude Niépce verbesserten den Pyreolophore kontinuierlich weiter und suchten stets nach neuen Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung. Sie erweiterten Ihre Versuche mit alternativen Materialien, zum Beispiel durch das Mischen eines Teils Harz mit neun Teilen Kohle um ein leicht entzündliches Pulver zu erhalten,  welches Sie für ihre Erfindung nutzen konnten. Doch im Jahre 1816 zeigten sich ihre Fortschritte nicht ausreichend genug, um einige Subventionen für ihre bahnbrechende Erfindung zu erhalten. Das Ende des Patents näherte sich unaufhaltsam und Claude beschloss schließlich, nach Paris zu reisen und dann nach England weiterzugehen, in der Hoffnung, den Motor dort erfolgreich vermarkten zu können.

Die Erfinder hatten ihre vorhandenen Mittel sämtlich in die Erfindung hineingesteckt. Bei der Eigenart des von ihnen benutzten Brennstoffes blieb ihnen indessen der wirtschaftliche Erfolg versagt. So gingen denn auch sie den Weg vieler Erfinder, deren Ideen zu früh geboren werden und sie starben beide in völliger Armut.

Bitte schauen Sie auch gerne hier rein.

Hinterlassen Sie eine Bewertung

Könnt Ihr einen Nutzen aus diesem Beitrag erzielen?
Wie bewertet Ihr den Seitenaufbau?
Wie bewertet Ihr die Geschwindigkeit der Seite?
Würdet Ihr die Seite weiterempfehlen?

Rezensionen (0)

Dieser Beitrag wurde bisher nicht bewertet.
webmaster
webmasterhttps://www.klassik-boote.de
Mein Name ist Detlev Pickert, geboren 1957 in Berlin-Zehlendorf. Einen Teil meiner Jugend verbrachte ich im Schwarzwald und schloss dort meine Lehre als Zimmermann mit einer Gesellenprüfung ab. Nach meiner Rückkehr nach Berlin begann ich in der IT-Branche zu arbeiten; damals gab es in Deutschland noch keine PCs. Mein erster Job war am Großkauf am Saatwinkler Damm; dahinter befand sich König-Motorenbau. In meiner Freizeit beobachtete ich Dieter König und seine Mitarbeiter bei ihren Testfahrten. Das Geschehen faszinierte mich sehr. Nach einem Umzug in den südöstlichen Teil Berlins absolvierte ich 2002 den Bootsführerschein und mein erstes Boot war eine Plaue. Mich interessierte schon immer, wer diese wunderbaren Fahrzeuge konstruiert und gebaut hat, wodurch meine Recherchetätigkeit begann, die mich bis heute nicht losgelassen hat. Hunderte von Interviews mit alten Bootsbauern, Werftbesitzern und Motorenschlossern sowie Recherchen in Bibliotheken, Büchern und Magazinen haben ein umfangreiches Wissen angesammelt. Nach einer Pause von etwa zehn Jahren wird nun sukzessive viel dieses Wissens auf dieser Plattform veröffentlicht. Keine Geschichte ist abgeschlossen, da täglich neue Informationen hinzukommen. Ich habe weder Germanistik noch Journalismus studiert; ich schreibe einfach so, wie mir meine Gedanken kommen. Wer sich daran stört, findet sicherlich andere Seiten, auf denen er sich wohler fühlt.