Paul Pfennig

Paul Pfennig erlernte den Bootsbau bei der Bootsfirma Rüdiger in Fangschleuse. Nach ein paar Jahren in der Reinicke-Werft baute er in seiner Freizeit für Willi Lehmann einige O-Jollen und während der Kriegszeit Flugzeugkufen in Riga. 1957 gründete er seinen eigenen Bootsbaubetrieb.

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Paul Pfennig wurde 1901 geboren. Er besuchte die Volksschule in Grünheide. Den ersten Weltkrieg erlebte er als Kind und Jugendlicher und wurde nicht eingezogen. Er begann eine Lehre als Bootsbauer in der Firma Rüdiger in Fangschleuse. Als Geselle erweiterte er seine Kenntnisse und Fähigkeiten in mehreren Bootsbaubetrieben. Er konnte sich eine Vielzahl von Techniken aneignen und seine gewonnenen Erfahrungen in den Betrieben weitergeben, in denen er in seinen “Wanderjahren“ arbeitete. So wurde er zu einem nachfragten Bootsbauer. 1936 fanden in Deutschland die olympischen Spiele statt. Paul Pfennig erhielt von seinem Freund Willi Lehmann den Auftrag, nebenbei in seinem Schuppen O-Jollen für die Olympiade zu bauen, was er auch realisierte. 1936/37 arbeitete er in der Hugo-Reinicke-Werft in Spandau, wo auch sein Bruder, Ernst Pfennig, als Meister beschäftigt war. Dieser arbeitete dort noch nach dem Bau der Berliner Mauer. Paul Pfennig war die tägliche Fahrt von Fangschleuse nach Spandau zu umständlich und zeitaufwendig. Ende der dreißiger Jahre sah er sich nach einer neuen Anstellung um und fand sie im Propellerwerk Hugo Heine in der Warschauer Straße in Berlin- Friedrichshain. Hugo Heine hatte 1921 eine Tischlerei übernommen und baute sie sukzessive aus. Im Auftrag der Flugzeugbau -Firma Bücker wurden dort Propeller aus Holz gefertigt. Hier spezialisierte sich Pfennig und ging im Auftrag der Firma für einige Zeit nach Westfalen und nach Holland. Art und Umfang seiner Arbeit sind aus dieser Zeit nicht bekannt.

 

Im Ferienhaus der Fa. Heine in Lilupe.
Im Ferienhaus der Fa. Heine in Lilupe.

Auch im zweiten Weltkrieg wurde er nicht eingezogen. Das lag sicher daran, dass die Heinefirma über den Flugzeugbau kriegswichtige Produkte herstellte. Paul Pfennig arbeite in einer Außenstelle der Firma in Riga. Er war inzwischen ein hervorragender Handwerker und stellte Schneekufen her. Diese Arbeit hatte Ähnlichkeit mit dem Bootsbau. Schneekufen waren Hohlkörper aus Sperrholz, beplankt mit richtigen Spanten. Ein Exemplar steht heute im Technikmuseum Berlin. Die Produktion erfolgte jedoch auf Halde, da die Schneekufen nie zum Einsatz kamen. Hans Pfennig, der Sohn von Paul erklärt sich das so : „Die Piloten weigerten sich bestimmt, diese Schneekufen einzusetzen. Das war für sie viel zu gefährlich.“

 

Er hatte seinen Vater im Jahr 1942 mit 11 Jahren 10 Wochen während der Sommerferien in Riga besucht. Der Krieg nahm seinen Lauf- Riga wurde eingekesselt. Die Rote Armee war auf dem Vormarsch. Paul Pfennig gelangte mit einem der letzten Schiffe zurück nach Deutschland. Hier arbeite er bis zum Kriegsende in Wuppertal in der Endkontrolle der Reparatur von beschädigten Militärflugzeugen.

Das Haus von Paul Pfennig, links die Werkstatt
Das Haus von Paul Pfennig, links die Werkstatt

1945! Der Krieg war zu Ende- grauenvoll seine Folgen! Paul Pfennig ging zu Fuß von Wuppertal nach Fangschleuse- eine monatelange Odyssee! Er erlebte sein völlig zerstörtes Heimatland: Städte aus Ruinen, Hunger, Not, Verzweiflung. Aufgeben??? Er krempelte die Ärmel hoch und überwand die Verzweiflung. Schon 1946 gründete er den Holzverarbeitungsbetrieb „ Paul Pfennig „ in Fangschleuse. Von der russischen Besatzungsmacht erhielt er den Auftrag, Kisten für den Transport von Reparationsmaterialien zu bauen. Dafür wurde er von den Russen mit ausreichend Holz versorgt. Er baute für sie auch Koffer aus Sperrholz zum privaten Nutzen. Sie bezahlten mit Naturalien wie Brot, Mehl und Speiseöl. Zugleich baute er landwirtschaftliche Geräte wie Handwagen, Butterfässer, Harken und sonstige praktische Gegenstände. Als Gegenleistung bekam er von den Bauern Kartoffeln und Rüben. So konnte die ganze Familie die katastrophale Nachkriegszeit überstehen. Aber Paul Pfennig war Bootsbauer!

Die beiden selbstgebauten Wellenbinder von Paul - und Hans Pfennig
Die beiden selbstgebauten Wellenbinder von Paul – und Hans Pfennig

Ab 1950 fing er an, Paddelboote, Ruderboote und später auch einige Motorboote zu bauen, auch Paddel und Holzriemen wurden von ihm angefertigt. 1953 baute Pfennig, zusammen mit seinem Sohn, im Auftrag eines Nachbarn, sein erstes Motorboot, einen Wellenbinder, parallel gleich noch ein zweites für den Eigenbedarf. Dazu zeichnete er sich selbst den Riss. Er verwendete Seitenbordmotore, einen Effzett Junior S 175 mit 3,5 PS und einen Fichtel & Sachs mit 2 PS.

Mitte der 50 er Jahre legte Paul Pfennig die Meisterprüfung ab. Sein Meisterstück war ein Motorboot, das mit einem DKW- Motor ausgestattet war, eine private Auftragsarbeit. Für die Meisterprüfung gab es eine Art“ Freistellung“, eine erleichterte Meisterprüfung abzulegen. Diese hatte jedoch die Einschränkung, dass man keine Lehrlinge ausbilden durfte. Paul Pfennig hatte man aber nahegelegt, gleich die richtige Meisterprüfung abzulegen. 1955 bestand er sie mit Bravur. Der Prüfungsvorsitzende war Herr Helmholz.

Paul und Gertrud
Paul und Gertrud

Während er vor der Meisterprüfung in der Werkstatt von Willi Lehmann angestellt war, arbeitete er danach nur noch in seinem eigenen Betrieb. Sein Sohn Hans half ihm häufig in seiner Freizeit und in den Schulferien. Da war es doch klar, dass er auch Bootsbauer wurde. Ab 1957 arbeiteten sie dann in eigenständigen Unternehmen in einer Werkstatt.

1966 wurde Paul Pfennig mit 65 Jahren berentet, die Arbeit in der Werkstatt gab er dennoch nicht auf- er war ein Bootsbauer, der auch im Alter nicht die Hände in den Schoß legen wollte. Am 27. Februar 1979 starb Paul Pfennig nach langer, schwerer Krankheit.

Heimatstube Grünheide: In der Ausstellung sehen Sie oben ein Modell eines Schärenkreuzers, welches er 1920 baute, mit Peitschenmast und Gaffeltakelung. Darunter ein Paddelboot als Modell, welches er 1938 baute.
Heimatstube Grünheide: In der Ausstellung sehen Sie oben ein Modell eines Schärenkreuzers, welches er 1920 baute, mit Peitschenmast und Gaffeltakelung. Darunter ein Paddelboot als Modell, welches er 1938 baute.

 


Fangschleuse im Juni 2008 (dp) Anmerkung der Redaktion: Ich möchte mich bei Hans und Gerda Pfennig, sowie bei Frank Pfennig und seiner Lebensgefährtin recht herzlich für die Interviews und die Bereitschaft bedanken, sich den Fragen zu stellen. Ich habe sehr herzliche, offene und sehr gastfreundschaftliche Menschen kennen gelernt, bei denen die Zeit wie im Fluge vergangen ist. Ich fühle mich sehr wohl bei Ihnen und hoffe, wir werden auch in Zukunft den Kontakt pflegen. Ich wünsche Ihnen Allen Gesundheit und weiterhin viel Freude und Schaffenskraft. Letzte Überarbeitung am 09.03.2011 (jr)

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Mein Real-Name ist Detlev Pickert, geb. 1957 in Berlin-Zehlendorf. Einen Teil meiner Jugend habe ich im Schwarzwald verbracht und dort meine Lehre mit dem Abschluss einer Gesellenprüfung als Zimmermann bestanden. Zurück nach Berlin gekommen, bin ich in die IT eingestiegen, zu der Zeit gab es in Deutschland noch keine PC's. Mein erster Job war im Großkauf am Saatwinkler Damm, dahinter befand sich König-Motorenbau. In jeder freien Minute habe ich zu dieser Zeit Dieter König und den Mitarbeitern von Dieter bei ihren Testfahrten zugeschaut. Mich faszinierte das Geschehen enorm. 2002 habe ich nach einem Umzug in den süd-östlichen Teil hinter Berlin den Bootsführerschein absolviert und mein erstes Boot war eine Plaue. Da es mich schon immer sehr interessiert hat, wer solche wunderbaren Fahrzeuge konstruiert und gebaut an, fing meine Recherchetätigkeit an, die mich nie wieder losgelassen hat. Hunderte von Interviews mit alten Bootsbauern, Werftbesitzer, Motorenschlosser, mit Personen, die dem Wassersport verbunden waren und Recherchen in Bibliotheken, Büchern und Magazinen hat sich ein enormes Wissen angesammelt. Nach einer Pause von gut 10 Jahren wird nunmehr sukzessive vieles von dem Wissen auf dieser Plattform veröffentlicht. Keine der Geschichten ist abgeschlossen, denn jeden Tag kommen neue Informationen hinzu. Ich habe weder Germanistik noch Journalismus studiert, ich schreibe so, wie meine Gedanken es mir vorgeben. Wer sich daran stört, der findet sicherlich andere Seiten, wo er sich wohler fühlt.