Oswald Ernst ist 1875 in Schlesien geboren und war von Beruf Zillenschlächter. Wie kam er nun zum Bootsbau? Seine Tante war die Besitzerin der Liebesinsel in Stralau. Auf dieser Insel führte sie das am Wasser gelegene Ausflugslokal „Tante Anna“. Fontane erwähnt in seinem Buch „Irrungen und Wirrungen“ das Treiben auf der Insel. Sie steht seit Jahresbeginn 2002 unter Naturschutz. Die Kellergewölbe des Ausflugslokals auf der Liebesinsel sollen in Zukunft Fledermäusen als Winterquartier dienen.
Oswald Ernst fuhr als junger „Bursche“ die Besucher zwischen der Insel und dem Festland mit dem Kahn. Im Freibad von Stralau arbeitete er als Bademeister.
1898 machte er sich selbstständig und gründete die Bootswerft Oswald Ernst in Stralau bei Berlin und fing an, Motor- und Segelboote zu bauen. Sein Hauptgeschäft war allerdings in den eisfreien Monaten Zillenschlächter, er schlachtete Äppelkähne aus. Das brachte ihm sehr viel Geld ein. Darüber hinaus baute die Werft auch nach Rissen damaliger Konstrukteure Wasserfahrzeuge, die bei ihm bestellt wurden.
Die Werft vergrößerte sich zunehmend und auch der Mitarbeiterstamm wurde an den vorhandenen Aufträge sukzessive angepasst. Neben den Aufträgen für Freizeitboote hatte die Werft auch ab ca. 1913 Aufträge zur Herstellung von Schwimmern für die „Albatros Flugzeugwerke“ aus Johannisthal entgegen genommen. Über den Transportweg der Flugzeuge zum Werftgelände ist nichts bekannt. Die einzige Schienenverbindung auf Stralau war die Straßenbahnverbindung vom Schlesischen Bahnhof her kommend, nach Treptow unter der Spree hindurch. Auf dem hier abgebildeten Originalfoto sind auf dem Werkgelände von Oswald Ernst Schienen erkennbar, die jedoch eher zum rangieren der Boote und Flugzeuge dienten. Wir können derzeit die Nutzung und mögliche Anbindung zur Bahn nicht belegen. Uns liegen derzeit auch keine Erkenntnisse über die Art der Herstellung und Material der Schwimmer vor. Sie wurden auf jeden Fall auf der Werft gebaut und unter die bereitgestellten Flugzeuge auf dem Werkgelände montiert.
Durch den preußischen Staat wurde das Dahme-Ufer in Cöpenick um die Jahrhundertwende (1900) parzelliert. Oswald Ernst verkaufte im Kriegsjahr 1916 seine Werft an den Unternehmer Knittel und kaufte sich noch im gleichen Jahr mehrere nebeneinander, zwischen Straße und Wasser, liegende Parzellen in der damaligen Grünauerstr. 167. Ob zu diesem Zeitpunkt die Grundstücke bebaut waren, ist nicht bekannt.
Oswald Ernst gründete auf den erworbenen Parzellen seine neue Schiffswerft und nach Kriegsende 1918 wurden wieder alte Schiffe abgewrackt und zum Teil weiter verwendet.
Der Großvater war immer sehr traditionell gekleidet, in Blau mit Mütze und er trug einen Spazierstock. Auf einer Bootsausstellung in Berlin gefiel ihm ein Boot ausnehmend gut. Er endschied sich vor Ort, dieses Boot nachzubauen. Zeichnungen gab es aber nicht. Also ging er mit ernsten Blicken an dem Boot vorbei, zählte dabei die Schritte und hatte somit die Länge des Bootes. Mit seinem Spazierstock wurde die Höhe des Stevens ausgemessen und die Höhe des Spiegels ermittelt. Das ganze Boot wurde stehend vermessen. Zu Hause angekommen, ging er gleich in die Werkstatt und baute nach bewährter Methode ein Modell. Die Mallen wurden hergestellt und dann das Boot gebaut. Als das Boot beim Stapellauf ins Wasser kam, stellte er fest, dass das Boot absolut zu kopflastig ist. Oswald Ernst war erstaunt und sagte sich, „so kann ich mich doch nicht geirrt haben“. Er wusste noch, wer der Hersteller des Bootes war, also schaute er sich ein Original-Boot des Herstellers auf dem Wasser fahrend an. Und siehe da, das Original war genauso kopflastig.
Diese Geschichte soll verdeutlichen, dass Oswald Ernst sich etwas anschaute oder überlegte und mit dem Bauen anfing, auch ohne Pläne. Er konnte im Prinzip aus dem Kopf eine 1:1 Kopie, in diesem Fall einer Fehlkonstruktion, herstellen, ohne Digitalkamera und Pausen kopieren.
Was lehrt uns das? Man sollte nie Boote auf der Ausstellung kaufen, sondern man sollte sie im Wasser ausprobieren.
Nachdem das Abwracken der alten Schiffe zu Ende ging, baute Oswald Ernst mit seinem Sohn eine Vielzahl von Booten unterschiedlicher Größe. Sportboote aus Holz und Eisen, Segeljollen, Rennboote, Sportboote, Kajütboote, sowie kleinere Fahrgastschiffe. Oswald Ernst war noch immer alleiniger Besitzer der Werft, baute diese kontinuierlich aus und war dabei sehr erfolgreich. So beschäftigte er 1930 12 Arbeitskräfte mit einem Umsatz von ca. 46.000 Reichsmark, 1939 waren es 18 Beschäftige mit einem Umsatz von ca. 95.000 Reichsmark.
Wir finden um 1920 herum eine Anzeige von der Yachtwerft E. Ernst in Berlin Stralau. Zu diesem Zeitpunkt war Oswald Ernst bereits in Berlin Köpenick. Wir konnten jedoch nicht herausfinden, in welchem familiären Zusammenhang diese beiden Werften standen. Leider konnte auch Manfred Ernst, der Enkel von Oswald Ernst, nichts hierzu beitragen.
1941 übergab Oswald Ernst die Werft an seinen Sohn Theodor Ernst und verstarb 1948.
Grünau im Juli 2008 – Klassik-Boote.de (dp)