Mannheim, Berlin und die frühe Motorboot-Revolution
Jacob Pfahler stammte aus Mannheim, wo er als „Privatier“ lebte und sich als Amateurbootsbauer betätigte. Dort machte er eine entscheidende Bekanntschaft: Karl Benz. Pfahler erkannte das Potenzial der Benz’schen Motoren für den Einsatz in Booten und gab der jungen Firma Benz & Co. den Auftrag, spezielle Bootsmotoren zu entwickeln.
Pfahler übernahm nicht nur die Rolle des Auftraggebers, sondern auch den Vertrieb der neuen Motorboote. Um diese erfolgreich auf dem Markt zu etablieren, zog er in die Reichshauptstadt Berlin, wo der Motorsport bereits boomte und ein innovationsfreudiges Publikum vorhanden war. Pfahler hatte erkannt, dass der leichte kleine Benzinmotor es möglich mache, den bisher auf Rudern und Segeln beschränkte Wassersport auch auf mit Maschinenkraft betriebene Boote auszudehnen.
Die Rettigsche Bootswerft: Eine Berliner Basis für Pfahlers Vision
Im Jahr 1887 wagte Pfahler einen bedeutenden Schritt: Er erwarb die traditionsreiche Rettigsche Bootswerft in Stralau am Rummelsburger See (Stralauer Thor 12). Diese Werft hatte Wilhelm Rettig erst 1883 von Georg Tarryer übernommen.

Unter Pfahlers Regie begann die Werft, sich auf den Bau von Motorbooten zu spezialisieren. Das erste Boot, noch in Mannheim gefertigt, wurde bereits auf der Spree getestet. Ein historisches Foto zeigt ein etwa acht Meter langes Boot, das sich von herkömmlichen Ruderbooten durch einen flachen Aufbau im Heck unterschied. Der Steuermann trug noch seinen Stehkragen, während eine Matrosenmütze mit Puschel den Wassersport-Enthusiasmus andeutete. Vielleicht war es Pfahler selbst, der sich mit Frau und Kindern der Kamera stellte – ein Anker am Bug, gehalten von zarter Kinderhand, verlieh dem Bild einen maritimen Touch.
„Renn- und Luxusboote“: Pfahlers Programm für die Zukunft der Schifffahrt
Pfahlers Ziel war es, die „Schifffahrt mit kleinen Fahrzeugen“ durch den Einsatz von Motoren zu revolutionieren. Die „W. Rettig’sche Bootsbaurei in Stralau“ produzierte fortan „Renn- und Luxusboote“. Diese Motorboote boten entscheidende Vorteile: ständige Fahrbereitschaft, Betriebssicherheit und Unabhängigkeit von technischem Personal.
Pfahlers Konzept ging auf. Er fand in Berlin ein kaufkräftiges Publikum. Ein besonders elegantes Mahagoni-Diagonalboot wurde sogar für die Pariser Weltausstellung 1889 gefertigt – ein Beweis für den frühen internationalen Erfolg der Berliner Werft.
Ein jähes Ende und das Erblühen einer neuen Industrie
Im Jahr 1890 wurde die Bootswerft Rettig von Wilhelm Deutsch übernommen. Die Gründe für Pfahlers Ausstieg sind bis heute unbekannt.
Doch auch ohne Pfahler war der Grundstein für den Motorbootsport gelegt. Zahlreiche neue Bootswerften entstanden, um die wachsende Nachfrage zu bedienen. Zu den bekanntesten gehörten Claus Engelbrecht in Zeuthen, Oswald Ernst (in unmittelbarer Nähe zur Rettigschen Werft) und Ernst Brüning. Eine detaillierte Übersicht dieser historischen Firmen finden Sie hier in unserem Beitrag „Historische Firmen-Übersicht„.
Jacob Pfahler mag in Vergessenheit geraten sein, doch sein Beitrag zur Entwicklung des Motorbootsports ist unbestritten. Er war ein Visionär, der frühzeitig das Potenzial von Benzinmotoren für die Schifffahrt erkannte. Es bleibt zu hoffen, dass seine Geschichte eines Tages vollständig erzählt wird.