Die Wiedergeburt eines Klassikers – Restaurationsgeschichte eines Optimist aus der Rechlin-Werft
(Erzählung aus der Sicht des Bootseigner Norbert Kalz)
Die Entdeckung
An einem regnerischen Tag des Jahres 2001 machte ich in Berlin-Köpenick eine besondere Entdeckung. Dort lag er – ein original Optimist aus der traditionsreichen Rechlin-Werft, halb mit Regenwasser gefüllt und vom Zahn der Zeit gezeichnet. Für viele mag es nur ein altes Boot gewesen sein, doch für mich als gelernten Bootsbauer war es ein Schatz, der darauf wartete, gerettet zu werden. Nach einer schnellen Einigung mit dem Vorbesitzer konnte die Rettungsmission beginnen.
Die professionelle Bestandsaufnahme
Mit meinem geschulten Auge – erworben während meiner Ausbildung von 1966 bis 1969 in der renommierten Alfred Feddeck-Werft in Berlin Schmöckwitz – analysierte ich zunächst den Zustand. Die positive Nachricht: Der Rumpf war dicht, ein fundamentaler Vorteil für jede Restaurierung. Dies war nicht selbstverständlich, hatte ich doch während meiner Lehrzeit bei der Fertigung von O-Jollen gelernt, wie wichtig eine intakte Rumpfstruktur ist.
Die Arbeiten der Restaurierung begannen im Jahre 2004 und endeten im Jahr 2007, eben immer so, wie es die Freizeit hergab.
Der Restaurierungsprozess im Detail

Phase 1: Demontage und Vorbereitung
- Vollständige Entleerung und Trocknung des Bootes
- Entfernung des beschädigten Sperrholz-Vorschiffs
- Demontage der maroden Decksbalken
- Gründliche Reinigung und Aufbereitung des Innenrumpfs
- Innovative Entscheidung: Reduktion auf drei statt vier Decksbalken für eine elegantere Optik

Phase 2: Das neue Deck
Die Konstruktion des neuen Decks wurde zu einem besonderen Highlight der Restaurierung:
- Verwendung einer hochwertigen Mahagonibohle als Basis
- Aufwendige Veredelung mit 5mm Eschenfurnier
- Präzises Aufschneiden in 8mm Lamellen für das Stabdeck
- Sorgfältige Installation der drei neuen Decksbalken mit Mittelfisch
- Kunstvolle Verlegung der Stabdeckleisten

Phase 3: Oberflächenbehandlung
Die Oberflächenbehandlung erfolgte in mehreren aufwendigen Arbeitsschritten:
- Feines Schleifen des gesamten Decks
- Fünffache Epoxy-Behandlung mit Zwischenschliff
- Finale Versiegelung mit hochwertigem 2K-Lack von Epifanes

Phase 4: Die Windschutzscheibe
Als besondere Herausforderung erwies sich die Anfertigung des Windschutzscheibengestells aus Mahagoni – ein Detail, das dem Boot seinen finalen, eleganten Touch verleiht.
Die Würdigung

Die Qualität der Restaurierung wurde auf der Boot & Fun Berlin 2007 am Berliner Funkturm eindrucksvoll bestätigt. Bei Oldieboote Deutschland e.V. ausgestellt, erhielt das Boot eine professionelle Expertise über 9.900 € – eine Anerkennung der handwerklichen Leistung und der verwendeten hochwertigen Materialien.
Persönliche Note
Diese Restaurierung wäre nicht möglich gewesen ohne meinen zu früh verstorbenen Freund Wolf Schuster, der mir nicht nur seine Werkstatt zur Verfügung stellte, sondern auch mit Rat und Tat zur Seite stand. Seine Unterstützung war unschätzbar wertvoll.
Mein Werdegang und Philosophie

Meine Verbindung zum Wassersport reicht bis in die frühe Kindheit zurück. Mit sieben Jahren begann ich auf einem Optimisten das Segeln zu lernen und hatte die Ehre, die erste Kinder- und Jugendspartakiade zu eröffnen. Über verschiedene Bootsklassen wie Cadet, OK Dinghi und H-Jolle entwickelte sich meine Leidenschaft stetig weiter. Während meiner Lehrzeit in der Alfred Feddeck-Werft hatte ich das Glück, von den Besten zu lernen. Mein Gesellenstück, die „O-Jolle 28“, wurde später sogar von Manfred Schrot zum DDR-Meistertitel gesegelt – ein Beweis für die Qualität der Ausbildung und des Handwerks.
Ein Plädoyer für Holzboote
Meine tiefe Überzeugung ist:
Holzboote sind keine Relikte der Vergangenheit, sondern Zeitzeugen echter Handwerkskunst. Bei sachgerechter Pflege überdauern sie moderne GFK-Konstruktionen bei weitem.
Die noch heute aktiven 5,5er, 8er und 12er Yachten aus den 1900er Jahren auf den bayerischen Seen sind lebende Beweise für diese These.
Diese Restaurierung steht beispielhaft für die Bewahrung maritimen Kulturerbes und zeigt, dass traditionelles Bootsbauhandwerk auch im 21. Jahrhundert nichts von seiner Bedeutung verloren hat. Jedes gerettete Boot trägt dazu bei, dieses Wissen und diese Fertigkeiten an künftige Generationen weiterzugeben.
Wir bitten die Qualität der Bilder zu entschuldigen. Leider ist das Original-Bildmaterial beim Eigner nicht mehr auffindbar.